und   Jekaterinburg
23.7.-28.7.04
   

(Hochburg der russischen Rockmusik; Künstlerinnen und Künstler vermittelt von Marina Sokolowskaja, einer jungen Kunsthistorikerin und Journalistin)

Text Bettina Carl

Einleitung

Nishni Novgorod

Izhevsk

Jekaterinburg

Samara

Saratov

Ausstellung

Text Peter Funken

 

 

 

       
       
National Centre of Contemporary Art Jekaterinburg - Videofestival

 

27.7.
Nach drei Wochen Rußland heute ein Jammerbrief: Dieser unglaubliche Wille der jungen Frauen und Männer, modisch, schick und gut gekleidet zu sein, hat seine Ursache vielleicht in den entsetzlichen Bedingungen. Sozusagen um sich seine Menschlichkeit und Selbstachtung zu bewahren. Seit zwei Tagen regnet es, und die Bewegung durch die Stadt gleicht dem Aufenthalt in einem Survivalcamp. Aus irgendeinem unverständlichen Grunde werden russische Straßen seit je so gebaut, daß das Wasser nicht abfließt. Bürgersteige in einer Form, die den Namen verdient, gibt es sowieso kaum. Auch ganz neue verbundgepflasterte Strecken sind keinen Deut besser. Heißt also ständig springen, schwimmen, Umwege und Auswege suchen. Schön ist es anzusehen, wenn 10 cm hohe Absätze solches tun.
Und dieser Dreck überall! Viele Leute haben überhaupt kein Verantwortungsgefühl und kippen ihren Müll wild in die Gegend. Komischerweise sagen dann aber alle, daß Deutschland so toll wäre, weil so sauber. Früher, zu Sowjetzeiten, war es wohl auch ordentlicher, da gab es immer irgend jemanden, der alles weggeräumt hat. Jetzt dagegen will man sich in den ohnehin spärlichen Grünanlagen eigentlich nicht niederlassen. Vielleicht trinken die Menschen deshalb hier im Stehen, wenn sie sich draußen treffen. Liegende werden gern als Suffis angesehen.
Oder die Ausschilderung der Straßen: Manchmal gibt es sie, aber eben nur manchmal. Und so eine einfache Sache wie den Berliner Pfeil unter der Hausnummer, der anzeigt, in welcher Richtung die Zahlen ansteigen, lerne ich hier richtig schätzen. So kleine Dinge, die das Leben leichter machen. Hier dagegen steht man irgendwo in der Pampa, zwischen den einzelnen Häusern können schon mal hundert Meter liegen, die Häuser selbst haben auch gigantische Ausmaße, und dann die Frage: WOHIN??? Um Himmels willen?? Und wenn dann mal irgend jemand seinen wichtig-rasenden Lauf durch die Stadt unterbricht, um einer Frage wenigstens zuzuhören, sollte man vor Glück eigentlich schon eine Flasche Sekt köpfen. Was nicht heißt, daß die Menschen nicht unglaublich freundlich und bemüht sein können, wenn sie einen erst mal bemerkt haben. – Und die Straßen selbst: Ampeln gibt es häufig nur für Autos, Fußgängerüberwege werden aus Prinzip mißachtet, Passanten von erbarmungslosen Wolgas gejagt wie Hasen. Da russische Straßen gern sechsspurig sind, kann so eine Überquerung schon ein mittleres Abenteuer werden. Und wo sie schmaler sind, existieren natürlich Pläne zu ihrer Verbreiterung, um den Stau zu bekämpfen. Die Menschen hier scheinen immer noch diesem Sechziger-Jahre-Zukunftsglauben anzuhängen: Technik, Autos, Geschwindigkeit sind alles. Alte Häuser werden mit Vergnügen abgerissen, um neue Blocks bauen zu können. Fortschritt ist toll, wie auch immer dieser aussehen mag. Und so ist das überall. Da haben die Städte nun 70 Jahre Kommunismus überstanden, keinen Krieg gesehen hier im Osten, doch der russische Ellenbogenkapitalismus macht alles Alte zunichte. Und alle Städte gleich. Eigentlich sind sie nur vom Auto aus zu ertragen.

Kontakt

Alena Meier

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